Dieser Beitrag stammt von Paul Lüpfert, FSJKler im WDR Notenarchiv Köln:
Am 21. Oktober 2017 wäre Dizzy Gillespie 100 Jahre alt geworden, einer der größten Jazztrompeter aller Zeiten. Er starb am 6. Januar 1993 in Englewood, New Jersey.
Geboren im Bundesstaat South Carolina in den USA als John Birks Gillespie (später gab er sich den Künstlernamen Dizzy) und aufgewachsen als eines von zehn Kindern, kam Dizzy schon früh mit Musik in Kontakt. Nachdem er zuerst Klavier und Posaune erlernt hatte, entdeckte er sehr schnell die Trompete für sich. Es war die Zeit des Swing und somit auch der Swing-Big Bands und so spielte er in jungen Jahren in zahlreichen solcher Formationen. Er war unterwegs mit Musikern wie Teddy Hill, Earl Hines, Billy Eckstine und Cab Calloway und war auch als Entertainer, Tänzer, Komponist und Arrangeur sehr begabt. Viele seiner Stücke, wie A Night in Tunisia, Groovin‘ High und Woody n‘ You gehören heute zu den meistgespielten Jazz Standards.
In diesem Video ist Dizzy mit seiner Komposition A Night in Tunisia zu hören und zu sehen:
Im WDR-Archiv gibt es einige wenige eigene Mitschnitte von Dizzies Konzerten hier in Köln. Auch John Marshall – selbst Jazz-Trompeter und bis vor kurzem festes Mitglied der WDR Big Band, von der er sich mit einem Konzert am 11.10.2017 verabschiedete – gehörte zu seinen Weggefährten. Da ich seit September 2017 ein FSJ Kultur beim WDR mache, hatte ich die Gelegenheit, nach einer Probe mit ihm über Dizzy Gillespie zu sprechen. John Marshall hat zu Dizzys Lebzeiten oft mit ihm gespielt, war als Mitglied seiner Big Band mit auf Tour in Amerika und Europa und hat auch oft in Bands mitgewirkt, in denen Dizzy zu Gast war. Schon früher war Dizzy ein großes Vorbild für ihn gewesen, er „war der Held von allen modernen Jazztrompetern.“ (Zitat John Marshall)
Hier spielt John Marshall Dizzys Woody n‘ You:
John Marshall hat schon viele von Dizzys Arrangements aus den Vierzigern gespielt, die nach seinen Aussagen auch heute noch sehr modern klingen - ein Zeichen von sehr großem musikalischem Verständnis und außerdem eines dafür, dass er seiner Zeit voraus war. Und so ist es auch gar nicht verwunderlich, dass er der Jazzmusik einen großen Sprung nach vorne verschafft hat, indem er den Swing zum Bebop weiterentwickelte, einer Stilrichtung des Jazz, die sich vor allem durch ihre rhythmische und harmonische Komplexität und das hohe Tempo auszeichnet. Weitere Wegbereiter des Bebop waren Bud Powell und Thelonious Monk, wobei Dizzy und der Saxophonist Charlie Parker zu den wichtigsten zählen.
Dizzys zwei markanteste Merkmale waren und sind immer noch für einen Trompeter sehr untypisch, doch sie trugen dadurch einen Großteil zu seiner Einzigartigkeit bei. Zum einen zeigte der Trichter seiner Trompete nicht wie normal nach vorne, sondern schräg nach oben, eine wohl einzigartige Form. John Marshall erzählte, dass Dizzy verschiedene Versionen hatte zu erklären, wie es dazu kam. Es stimmt jedoch wahrscheinlich diese, dass auf dem Geburtstag seiner Frau jemand auf die Trompete gefallen war und so den Trichter verbogen hatte. Dizzy war so begeistert davon, dass er sich dadurch besser hören konnte (ähnlich wie bei einer Taschentrompete), dass er eine Trompete mit dieser Korrektur für sich anfertigen ließ.
Dizzys zweites außergewöhnliche Merkmal waren seine aufgeblasenen Wangen beim Spielen. Er blies sie so stark auf, dass sie über die Jahre immer größer wurden und sich selbst sein Nacken mit Luft füllte. Es wurde sogar ein medizinischer Fachbegriff für dieses Phänomen geschaffen: „Gillespie pouch“, was so viel bedeutet wie „Gillespie-Beutel“. Bis heute ist nicht zu erklären, wie Dizzy damit so präzise und schön spielen konnte, wie John Marshall erzählt. Es widerspreche eigentlich der normalen Ausbildung für Trompete.
Abschließend noch einige Worte über den Menschen Dizzy Gillespie und wie er so ein unglaublich erfolgreicher Trompeter werden konnte, der sich gleichzeitig für Humanität und Völkerverständigung einsetzte. Und was wäre da passender, als nochmal den Musiker zu zitieren, der Gillespie zu seinen Lebzeiten noch gut gekannt hat?
Die Gründe für seinen Erfolg waren, so John Marshall: „Sein Genie, sein Geist, seine Liebe zu den Menschen, seine Kreativität und seine Bereitschaft, musikalisch immer mehr zu wagen. Aber vor allem die Großzügigkeit seines Geistes.“
Paul Lüpfert, FSJKler im WDR Notenarchiv Köln
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